Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz
Genauso wie es früher undenkbar war, dass die gesamte Belegschaft von zuhause arbeitet, ist es für viele Menschen im Unternehmen immer noch nicht vorstellbar, über den eigenen mentalen Zustand während der Arbeit zu sprechen. Doch wieso ist das so und wird es nicht Zeit, mit diesem Tabu zu brechen, wo wir doch gesehen haben, dass das Undenkbare (Arbeiten im Homeoffice über Monate) gar nicht so schlecht ist, überhaupt funktionieren kann und sogar Vorteile mit sich bringt?
Ist mentale Gesundheit am Arbeitsplatz schon in deutschen Büros eingezogen? Die Antwortet lautet: teilweise. Unsere Autorin Cécile ist dem Buch „Mental Health at Work“ von James Routledge verfallen und teilt mit uns ihre Erkenntnisse.
Hintergrund: How it started
Warum es so wichtig ist, über den mentalen Zustand von Mitarbeiter:innen Bescheid zu wissen, liegt auf der Hand. Beziehungsweise sollte man davon ausgehen, denn es gibt kein erfolgreiches Unternehmen ohne Mitarbeitende, deren mentaler Zustand “stabil” ist, beziehungsweise stabil genug ist, um keinen (negativen) Einfluss auf deren Arbeit zu haben. So die Annahme.
Wünscht sich nicht jedes Unternehmen Mitarbeitende, die jeden Tag motiviert sind und gut gelaunt zur Arbeit kommen, um dort eine hervorragende Arbeit zu leisten? Die Motivation soll dabei intrinsisch sein und die Leistung überdurchschnittlich. Dafür werden Mitarbeiter:innen geschult und zudem nur die Besten der Besten ausgewählt. Welche die besonders hart im nehmen sind und die die jeglicher Art von Stress entgegen halten können. Doch sind wir von diesem Status quo glücklicherweise bereits abgekommen, und so ist es nicht zuletzt durch die Coronapandemie einfacher geworden über das eigene Wohlbefinden zu sprechen. Auch rutschen in solchen Gesprächen persönliche Ängste und Bedenken mit raus, wie beispielsweise zu Zeiten des harten Lockdowns. Und schnell stellte man fest, die Besorgnis wird geteilt und “es gibt auch andere, denen es ähnlich geht”. Durch den gemeinsamen Austausch, entsteht ein Gefühl des sich im selben Boot Befindens. Man ist eben nicht allein und wird auch nicht schräg angesehen, wenn man offen ausspricht, dass man aktuell nicht gut mit den Umständen zurecht kommt. Dabei geht es auf keinen Fall darum, dass tendenziell Privates mit Kolleg:innen und Vorgesetzten geteilt wird, sondern darum, über den eigenen mentalen Zustand zu sprechen — ohne alle Karten auf den Tisch zu legen.
Wie nun aber den Anfang wagen, wenn es selbst durch die Pandemie nicht üblich geworden ist, dass in Abteilungen über den mentalen Zustand gesprochen wird? Es braucht Mutige, die es wagen und den ersten Schritt gehen. Dabei schlägt Routledge vor, einfach einmal in einem Nebensatz fallen zu lassen, dass man sich mit seiner mentalen Gesundheit befasst, wenn man sich nicht traut, direkt mehr preiszugeben.
COURAGE STARTS WITH SHOWING UP AND LETTING OURSELVES BE SEEN.
Brené Brown
Prozess: How it’s going
Warum wird vermieden über den mentalen Zustand von Mitarbeiterinnen zu sprechen? Aus dem einfachen Grund der Angst, dass dadurch ein Fass geöffnet wird, dass so schnell nicht mehr geschlossen werden kann. Davor, dass man dem mentalen Zustand nicht aushalten kann, alleine durch das Zuhören, und letztlich keine Lösungen bereit hat, sodass sich Mitarbeitende unverstanden fühlen, das letztlich zur Enttäuschung führt und womöglich in einer Kündigung endet. Doch warum neigt man mit typischen deutschen Mindset erst einmal vom worst case auszugehen? Warum glaubt man nicht an den viel größeren Mehrwert, den das Öffnen der Arbeitskultur mit sich bringen kann?
Routledge schreibt, dass wir in unserer schulischen Ausbildung nicht gelernt haben mit unseren Gefühlen umzugehen oder sie überhaupt wahrzunehmen. Sich mit seiner mentalen Verfassung auseinander zu setzen, kann schmerzhaft sein und kann Kraft kosten. Doch letztlich sehnen wir uns doch genau danach, nach einem Zustand der Ausgeglichenheit, der Balance zwischen privaten Sorgen und denen bei der Arbeit. Einem Verstandenwerden, wenn die Leistung gegebenenfalls nicht 100 % ist, weil es eben Themen gibt, die einen mental so sehr beschäftigen, dass der Abschluss eines Projekts zur Nebensache wird.
Ideen für einen Workshop
Personalabteilungen können Workshops für Mitarbeiter:innen organisieren, die einen Start mit dem Thema mentaler Gesundheit sind. Sie können den Stein ins Rollen bringen und intern signalisieren, dass im Unternehmen Wert auf den mentalen Zustand der Mitarbeitenden gelegt wird, auf allen Ebenen. Konkret schlägt Routledge vor, Mitarbeiter:innen die Frage zu stellen, was mentale Gesundheit für die am Arbeitsplatz bedeutet. Hier soll der Fokus vor allem auf das Wie gelegt werden, sprich, wie kann der Arbeitsalltag aussehen, bei dem der mentale Zustand der Mitarbeiter:innen eine Rolle spielt; und wie kann eine Arbeitskultur aussehen, welche die mentale Gesundheit von Mitarbeiter:innen zulässt.
Das Zusammentragen von verschiedenen Sichtweisen hilft zum einen andere besser zu verstehen, bringt zum anderen einen Mindshift mit. Plötzlich wird klar, was ohnehin klar sein sollte, dass jeder Mensch sprich Mitarbeiter:in eine einen Zustand seiner/ihrer mentalen Gesundheit hat. Diesen gilt es nun in Worte zu bringen. Hier können Post-its helfen, die verschiedenen Sichtweisen zu skizzieren. Die Personalabteilung übernimmt eine moderierende Rolle nach dem Zusammentragen der einzelnen Sichtweisen und Vorschläge zu einer Arbeitskultur, die Platz für mentale Gesundheit lässt. Gemeinsam kann dann überlegt werden, wie die Ideen nach und nach integriert werden können. Letztlich soll es natürlich nicht bei einem Workshop bleiben, schließlich soll das Sprechen über die mentale Gesundheit in den Arbeitsalltag einziehen.
Nachhaltig verändertes Arbeitsklima
Die mentale Gesundheit gehört jedem Mitarbeitenden selbst, sie kann von anderen nicht vorgegeben und nur teilweise beeinflusst werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass jeder bei sich beginnt. Seine eigene Reise antritt, sich mit seinem Inneren zu befassen, seinen Gefühlen, Ängsten und Sorgen und über diese dann auch zu sprechen. Personalabteilungen können hier den ersten Schritt gehen und den Einstieg in das Thema ermöglichen. Letztlich können sie einen Ort des Vertrauens schaffen, in dem die mentale Gesundheit zu jedem Mitarbeitenden gehört und deshalb auch über sie gesprochen wird. Dieser Schritt wird das Arbeitsklima nachhaltig verbessern und dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter:innen nicht nur als Arbeitende fühlen, sondern als Teil des Unternehmens, in dem sie so sein können, wie sie sind und wie es ihnen aktuell geht. Der Mensch kann Mensch sein und wird weniger als Maschine gesehen, die immer nur liefert.