Sustainability Entrepreneur Rebecca Freitag im Interview

Hallo Rebecca, woran arbeitest Du aktuell?

Ich arbeite bereits seit 10 Jahren im Bereich der Nachhaltigkeit. Am prägnantesten war für mich dabei meine Zeit als deutsche UN Jugenddelegierte für Nachhaltigkeit – in diesen zwei Jahren habe ich junge Menschen und deren Interesse auf internationaler Ebene vertreten und dabei gleichzeitig versucht, die SDGs in Deutschland voranzubringen und zu promoten. Darüber hinaus bin ich an der Fachhochschule Potsdam Dozentin für einen Nachhaltigkeitskurs. Aktuell gründe ich außerdem gemeinsam mit anderen nachhaltigkeitsbegeisterten Menschen ein Start-up. Das Start-up heißt “Future Maps”, dabei wollen wir Nachhaltigkeitsorte auflisten, basierend auf einem echten holistischen Nachhaltigkeitsrating, um aufzuzeigen, ob Orte ernsthaft nachhaltig sind und was diese ausmacht. Ziel ist es, eine starke Community aufzubauen mit Menschen, die Teil des Movements sein möchten.

Rebecca Freitag, Mitglied des Beirats von Green Recruiting

Wofür schlägt Dein grünes Herz?

Das Spektrum ist wirklich groß. Ich interessiere mich für die verschiedenen Aspekte der Transformation. Dabei finde ich es besonders spannend, die Verbindung von “inner and outer transformation” anzusehen. Wir haben faktisch schon alle äußeren Tools, um eine nachhaltige Transformation voranzubringen, aber dennoch tun wir zu wenig oder nutzen diese zu gering. Ich glaube, dass hierbei oft die innere Kompetenz fehlt mit herausfordernden und komplexen Dingen umzugehen und Verantwortung tragen zu wollen. Dazu habe ich einen TEDxMünchen Talk gehalten:

“This is how we get the SDG’s right | Rebecca Freitag | TEDxMünchen

Im Nachgang zu meinem Talk habe ich eine E-Mail von einem Hörer erhalten, der mir die “Inner Development Goals” vorgestellt hat. Ich bin total begeistert von ihnen. 

Was genau kann man sich unter den Inner Development Goals vorstellen und wie setzt du diese ein?

Sie sind ähnlich wie die 17 SDGs aufgebaut, indem jedes Ziel verschiedene Unterziele hat. Von den Inner Development Goals gibt es fünf Stück, welche jeweils Unterziele haben. Dabei wird sich angesehen, wie Komplexitäten verstanden werden können, wie Mitgefühl gezeigt werden kann. Die Inner Development Goals werden von großen Unternehmen wie IKEA und Spotify unterstützt und die Bewegung darum ist gerade am entstehen. 

Ich befasse mich aktuell auch mit dem Thema systemisches und komplexes Denken; und das ist etwas, was ich auch in meinen Hochschulkurs versuche voranzubringen. Lineare Entscheidungen bringen uns oft nicht weiter, wir müssen das große Ganze sehen, sprich nicht nur eine Nachhaltigkeitsabteilung in Unternehmen gründen, sondern es schaffen, dass Nachhaltigkeit ein Thema für das gesamte Unternehmen wird. Immer mit dem Ziel, eine wirkliche Veränderung anzustoßen, die unsere Gesellschaft weiterbringt. 

Die 5 Inner Development Goals, die 23 Unterkategorien aufweisen

Welche Expertise bringst Du in den Beirat von Green Recruiting mit?

Ganz konkret bringe ich praktische Erfahrung mit den SDGs mit, besonders auf internationaler Ebene. Genauso bringe ich ein sehr gutes Gefühl für junge Menschen mit, da ich viele Jahre eine Stimme für genau diese Generation und die von zukünftigen Generationen war. Ich arbeite viel mit jungen Menschen und deren Bedürfnissen, gerade auch bei meiner Arbeit an der Fachhochschule Potsdam. Dabei merke ich, was sie brauchen und sich vom Arbeitsmarkt beziehungsweise potenziellen Arbeitgebern wünschen. 

Ich kreiere einen neuen Kurs für die Hochschule, der zum einen das Basiswissen an Nachhaltigkeit vermittelt, aber eben auch die Methoden, um dem Problem der Umsetzung entgegenzuwirken. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf psychologischen Methoden, um ins Umsetzen zu kommen. Was Studierende bei mir lernen beziehungsweise am Ende präsentieren müssen, ist ein Projekt, anhand dessen sie den Impact messen und dafür die passenden Indikatoren bestimmen. 

Den Impact messbar zu machen wird in den nächsten Jahren ein sehr zentrales Thema für unsere Gesellschaft sein. Greenwashing wird als große Gefahr bei der jungen Generation wahrgenommen. Sie haben einen schnellen digitalen Zugang und dadurch die Möglichkeit, Dinge zu überprüfen. Und genau das machen sie, weshalb es umso wichtiger ist, dass Unternehmen offen kommunizieren und einen wirklichen Mehrwert bieten. 

Rebecca ist Mitglied des Green Recruiting Beirats, hier siehst du alle Mitglieder

Wie zeigt sich Dein positiver Transformationsspirit?

Am meisten macht es mir Spaß, die Begeisterung bei anderen Menschen zu sehen, welche die Welt ebenso verändern wollen oder diese Motivation wach zu kitzeln. Der Wille zur Veränderung steckt eigentlich in jeder/m, das merke ich in meiner Arbeit. Das macht mir Hoffnung und Freude, mit genau solchen Menschen zu arbeiten und gemeinsam etwas zu bewirken. 

Gewisse Projekte und Akteure laugen aber auch aus, wie ich feststellen durfte, da es viele Hürden oder beispielsweise Bürokratie gibt und genau hier muss ich auf mich aufpassen, und meine Energie gezielt auf Menschen und Projekte setzen, die keine Ausreden haben, sondern wirklich machen und etwas verändern wollen. Ich habe mich genau aus diesem Grund erst einmal aus der Politik gezogen und wollte weg von der Frustration hin zu Unternehmen, die mehr Freiheiten haben und zu dem Transformationsspirit von Unternehmen und deren CEOs, die schon mehr machen und etwas bewegen wollen. 

Wieso müssen die SDGs in jedem Unternehmen eine Rolle spielen? Wie würdest du den Status quo beschreiben?

Die SDGs wurden meiner Beobachtung nach teilweise falsch von Unternehmen angewandt: Es wurde viel Cherry-Picking betrieben, sprich Unternehmen haben sich ein bis zwei SDGs ausgesucht und diese promotet, in denen sie im Zweifel ohnehin schon gut unterwegs waren. Das ist aber nicht der Geist der SDGs, denn dieser setzt sich für die Interkonnektivität unserer Welt ein, in dem der Zusammenhang der Welt und eben die verschiedenen SDGs eine Rolle spielen. Um ein Beispiel zu geben, Unternehmen können die Genderbrille und den Klimaschutz zusammenbringen. Es geht also darum, Bereiche nicht gegenseitig auszuspielen, also Umweltstandards auf dem Schirm haben und gleichzeitig Mitarbeitende gut und fair bezahlen. Es geht vielmehr darum, den großen Hebel, den Unternehmen haben, wirklich einzusetzen und etwas zu bewegen.

Was ich aber auch bemerke: Der Trend hin zu den SDGs ist immens und Unternehmen widmen sich diesem Thema immer mehr. Hinter den Kulissen passiert viel. Viele haben eine fünf Jahres Strategie und da spielen die SDGs eine extrem wichtige Rolle.

Oft frage ich mich jedoch noch, ob das Thema Nachhaltigkeit von Unternehmen wirklich richtig verstanden wird. Mein holistisches Verständnis ist dann oft doch enttäuscht, da Nachhaltigkeit nicht transformativ genug verstanden wird. Mir fehlt hierbei das wirkungsvolle, effektive Einsetzen und deren Hingabe. Interessant ist auch, dass Impact als neue Währung, gerade in der jungen Generation, verstanden wird. Junge Menschen wollen genau wissen, wofür sie ihre Energie, Arbeitszeit und Ideen einsetzen. In der Gründung von Future Maps haben wir beispielsweise ein Gespräch mit einem potenziellen Mitarbeiter geführt, der erst einmal ausgiebig den Impact hinter unserem Vorhaben verstehen wollte, wie dieser erlangt werden kann, noch bevor es um Organisatorisches ging. 

Future Maps

Was rätst du Unternehmen, die am Anfang stehen und ihren Impact messen wollen? 

Da kommt bei mir erst einmal die Dozentin durch: Zunächst sollte man Impact definieren. Und dann würde ich Unternehmen raten, alles sichtbar zu machen, damit man erst einmal eine Grundlage zum Messen und Prüfen hat. Bei Produkten kann das beispielsweise das Lifecycle-Management oder Life Cycle Assessment (LCA) sein, damit alle Fakten auf den Tisch kommen. Hierbei sehen Unternehmen, welche unnötigen Ressourcen verwendet werden, ob zu viel Energie eingesetzt wird etc. Zunächst geht es also darum, Stellschrauben zu entdecken, damit diese verändert werden können. 

Dann geht es um die zentrale Frage, was ein Unternehmen zu einer positiven, zukunftsorientierten Gesellschaft beitragen will. Hier geht es um Fragen rund um das Geschäftsmodell und ein mögliches Überdenken davon. Ein weiterer Punkt ist das Einführen von ESG-Kriterien. Problematisch sehe ich hierbei, dass Unternehmen diese oft für sich eigens zusammenstellen und nicht klar ist, wie die Daten dafür erhoben werden. Es gibt keinen einheitlichen Wert, weshalb die Gewichtung der einzelnen Dimensionen anders aussehen kann. Mir fehlt hierbei Transparenz. Dazu kommt, dass die ESG-Kriterien am Ende den Prozess messen, aber eben kein Produkt bewerten.

Aus diesem Grund empfehle ich eine neue Methode, die ich auch meinen Studierenden an der Hochschule vorstelle: Das IOOI-Modell, das für Input, Output, Outcome und Impact steht. Hier wird deutlich, dass erst einmal Vorarbeit geleistet werden muss, um den Impact erkennen zu können. Impact bedeutet die Veränderung, die man auf gesamtgesellschaftlicher Ebene erzeugen möchte. Beispielsweise den Mindset-Change der Gesellschaft oder die Verabschiedung eines neuen Gesetzes. Es wird deutlich: Es handelt sich dabei um einen langen Weg. Aus diesem Grund bin ich auch für das Zusammenspiel von vielen Akteur:innen, Kooperationen, Unternehmen, Kommunen und zivilgesellschaftliche Gruppen, die am Ende gemeinsam etwas verändern möchten. 

Was rätst Du HR-Abteilungen für ihren bevorstehenden “schwierigen Weg”? 

Der Weg wird tatsächlich nicht ganz leicht sein, darüber muss man sich bewusst sein. Ein wichtiger Meilenstein ist die Kommunikation. Hierbei geht es um Ehrlichkeit und Transparenz, besonders im Umgang mit Fehlern. Also Fehler ehrlich kommunizieren und so zu einer neuen notwendigen Fehlerkultur beizutragen. Unternehmen sollten also offen darüber sprechen, wenn sie noch nicht genug Energie einsparen können, wie sie wünschten oder nicht genügend finanzielle Mittel für grüne Investitionen haben. Am Ende bringt die offene, verlässliche Kommunikation am meisten Authentizität. Mitarbeitende wissen dadurch auch, wie das Unternehmen tickt und wie sie sich eventuell noch gezielter einbringen können. 

Vielen Dank, Rebecca, für diese zukunftsweisenden Antworten! Wir wünschen Dir mit all deinen Projekten alles Liebe! 😊

Das Interview fand via Video-Call statt und kann hier angesehen werden.

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Credit: Daniel Faro - Unsplash

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