Der Loop Approach von TheDive – ein Interview mit Felix Herter

Wofür steht TheDive und worin besteht Dein Aufgabenbereich?

TheDive ist eine Unternehmensberatung und ein Think Tank für organisationale Innovation und Transformation mit Sitz in Berlin und München. Wir begleiten Unternehmen dabei, lebendige und anpassungsfähige Systeme für ihre Zusammenarbeit – wir nennen sie responsive Betriebssysteme – zu entwickeln. Ziel dabei ist es, die Komplexität der heutigen Welt handhabbar zu machen und idealerweise Arbeit so zu gestalten, dass sie den Menschen stärkt. Der Loop Approach ist ein strukturierter Team- und Organisationsentwicklungsprozess, den wir zu diesem Zweck entwickelt haben. Mit Transformationsprozessen verknüpfte Themen wie hybride Raumgestaltung, organisationales Lernen, Führung und Resilienz adressieren wir ebenfalls in unserer Arbeit. 

Credit: TheDive GmbH

Als B Corp ist verantwortungsvolles Wirtschaften ein fester Bestandteil unserer Unternehmens-DNA. Wir wollen einen Beitrag leisten, Wirtschaft so zu gestalten, dass echte Mehrwerte für Mensch und Umwelt geschaffen werden. Mit unserem Stellar Approach bietet wir seit kurzem erste Formate an, um sich auf dem Entwicklungsweg zur regenerativen Organisation begleiten zu lassen. 

Credit: Jonas Friedrich

Meinen persönlichen Daseinszweck (“Purpose”) sehe ich darin, einen Beitrag zu leisten, dass Menschen einen tieferen Zugang zu sich finden und ihre Verbindung zu ihren Mitmenschen und der Umwelt stärken. Meiner Einschätzung nach liegt hier ein enormes Potenzial, um den großen Herausforderungen unserer Zeit wirksam zu begegnen: vom Turbokapitalismus über Fremdenfeindlichkeit bis hin zur Klimakrise. Mit TheDive habe ich einen Arbeitgeber gefunden, bei dem ich am Aufbau und Stärken dieser Verbindungen besonders als Begleiter in Transformationsprozessen und Ausbilder von Loop Trainer:innen in der Loop Academy arbeiten kann. 

Wie sieht Dein Arbeitsalltag in einem selbstorganisierten Unternehmen aus?

Statt in klassischen Stellen arbeiten wir mit einem selbstorganisierten Rollenmodell, das mir ermöglicht, verschiedene Hüte im Arbeitsalltag aufzusetzen. Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit besteht in der Organisation und Betreuung unserer Weiterbildungsformate in der Loop Academy. Zudem bilde ich in unserer The Loop Approach Fellow Ausbildung angehende Loop Trainer:innen in den Modulen „Haltung & Kultur“ und „Team Effektivität & Strukturelle Anpassung“ aus. Ich führe also regelmäßig Trainings durch. Zunehmend in den Fokus rückt die Begleitung von Teams in Transformationsprozessen. Vielfach geht es dabei darum, Teams zu befähigen, ihre Zusammenarbeit an ihren Bedürfnissen ausgerichtet bewusst zu gestalten.

Ich übe meine Rollen weitestgehend autonom aus. Ich arbeite sehr eigenständig und kann meine Arbeitszeit überwiegend flexibel gestalten, was ich sehr schätze. Wichtig sind aber ergänzend unsere Meetingroutinen zur operativen Abstimmung, zur kontinuierlichen Weiterentwicklung unserer Rollenstruktur und zum Pflegen unserer zwischenmenschlichen Beziehungen.

Credit: Jonas Friedrich

Inwiefern kann der Loop Approach Unternehmen zukunftsfähig machen?

Anders als im Industriezeitalter ist es im Informationszeitalter kaum noch möglich, dass einzelne Führungskräfte, in einer immer komplexer werdenden Welt, alleine die erfolgreiche Steuerung eines Unternehmens übernehmen können. Daraus folgt, dass Unternehmen zunehmend die wachen Augen, aufmerksamen Ohren und kreativen Potenziale ihrer Mitarbeitenden einbinden wollen. Dafür ist häufig förderlich, Verantwortung ins Team abzugeben. Um die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern, ist ein Verlernen von über Jahrzehnte antrainierten Gewohnheiten und Denkweisen, sowie das Erlernen völliger neuer Kompetenzen erforderlich. Ein wahrer Kraftakt, der sich aber lohnt. Der Loop Approach kann auf diesem Weg eine Unterstützung sein.

Utopie eines Idealbildes von zukunftsfähigen Organisationen

Aus meiner Sicht gibt es kein allgemeingültiges Idealbild einer zukunftsfähigen Organisation. Ein solches Bild unterliegt dem stetigen Wandel und enthält je nach Kontext und Betrachtungswinkel unterschiedliche Schattierungen. Meiner Meinung nach verleitet ein Idealbild wie “wir müssen jetzt alle agil werden” viel zu sehr einer Schablone nachzulaufen. Diese passt vielleicht aber gar nicht zu den Schmerzpunkten und Bedürfnissen der eigenen Organisation. Daher fokussieren wir mit dem Loop Approach auf den Prozess der Transformation und weniger auf ein vielleicht zu Beginn anvisiertes Ergebnis. Zukunftsfähige Organisationen brauchen Kompetenzen, um sich einem dynamischen und komplexen Umfeld eigenständig anpassen zu können. Sie verfolgen zudem ein Geschäftsmodell, das Mensch und Planet dienlich ist.

Transformation von innen heraus

Ähnlich wie ihr bei der Green Recruiting Initiative sind auch wir bei TheDive überzeugt, dass Transformationsprozesse in Organisationen besonders dann wirksam und nachhaltig sind, wenn sie von innen heraus geschehen. Mit dem Loop Approach geben wir Teams dafür einen strukturierten Prozess an die Hand. Dieser unterstützt sie entlang von sieben Tugenden effektiver Organisationen beim Gestalten ihres individuellen Zusammenarbeitsmodells. Zudem gibt er ihnen Orientierung auf dem Weg zu einem lernenden und anpassungsfähigen Organismus. Inhaltlich und methodisch bauen wir dabei auf verschiedenen etablierten Modellen und Konzepten auf, wie Spiral Dynamics, der Holakratie oder Gewaltfreier Kommunikation.   

Credit: TheDive GmbH

Wie sieht die Begleitung von Teams mit dem Loop Approach genau aus? Und welches Zeitfenster sollten Teams für eine derartige Transformationsreise einplanen?

Wir blicken mit Loop auf Team-Ebene und legen den Fokus der Veränderung auf ihren Einflussbereich. Dadurch ist der Prozess auch in den Kontexten wirkungsvoll, in denen sich nicht das gesamte Unternehmen parallel mit verändert, wie es regelmäßig in Großunternehmen und der Verwaltung der Fall ist. Ein paar Voraussetzungen sind besonders wichtig für den nachhaltigen Erfolg des Prozesses: Das Team sollte überhaupt erstmal einen Veränderungsschmerz spüren. Auch die Führungskraft sollte bei der Transformation mit im Boot sein. Zudem sollten im operativen Arbeiten Freiräume geschaffen werden, um wirklich an der Transformation arbeiten zu können.

In der klassischen Variante besteht der Loop aus drei zweitägigen Workshop-Modulen: „Klarheit“, „Ergebnisse“ und „Evolution“. In der Regel liegen zwischen den Modulen 4-6 Wochen, in denen die Teams die in den Workshops gestartete Arbeit weiterführen und in ihre Teamstruktur überführen. Danach ist die Transformation allerdings nicht abgeschlossen. Wie der Begriff Loop nahelegt, geht es vielmehr darum, in der täglichen Arbeit die neue Struktur iterativ weiterzuentwickeln und den angestoßenen Kulturveränderungsprozess zu verstetigen.  

Drei Workshop-Module auf dem Weg zur evolutionären Organisation

  1. Das erste Modul „Klarheit“ hat zum Gegenstand, sich im Team über den gemeinsamen Daseinszweck sowie die Ziele und Strategien zu dessen Verwirklichung zu verständigen. Um die Ziele erfolgreich verfolgen zu können, müssen ferner alle dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen und Potenziale der Menschen im Team bekannt sein, um sie effektiv nutzen zu können. Des Weiteren sollten Verantwortlichkeiten im Team so aufgeteilt werden, dass die individuellen Stärken der einzelnen Teammitglieder bestmöglich in Einklang mit ihren Tätigkeitsbereichen gebracht werden. Wichtig ist auch, Transparenz darüber zu schaffen, wer für was verantwortlich und wer in welchem Verantwortungsbereich entscheidungsbefugt ist. Wir arbeiten zu diesem Zweck mit einem Rollenkonzept, wie es vergleichbar auch in der Holakratie zu finden ist.
  1. Um in den Verantwortungsbereichen individuell effektiv arbeiten und gute Ergebnisse im Team erzielen zu können, muss sichergestellt sein, dass die Menschen über die dafür erforderlichen Kompetenzen verfügen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um sich im Team gut synchronisieren und abstimmen zu können. Das adressieren wir im zweiten Modul „Ergebnisse“. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf einem der größten Schmerzpunkte vieler Teams: den Meetings. Mein ganz persönliches Highlight ist in diesem Zusammenhang auch die Einführung des spannungsbasierten Arbeitens, das die Eigenverantwortung und Lösungsorientierung jedes Einzelnen stärkt und Kompetenzen schult, die weit über den beruflichen Kontext hinaus wertvoll sind.
  1. Im dritten Modul „Evolution“ dreht es sich darum, einen festen Governance-Prozess zur fortlaufenden Strukturveränderung im Team zu verankern, die Konfliktfähigkeit im Team u.a. auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg zu fördern und Formate für arbeits- und beziehungsbezogenes Feedback zu etablieren.
Credit: Jonas Friedrich
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Ziel ist, dass das Team nach dem begleiteten Loop künftig eigenständig organisationale Herausforderungen lösen kann. Unterstützend bilden Unternehmen teilweise auch noch The Loop Approach Fellows bei uns in der Loop Academy aus. Ziel dabei ist es, noch tiefergehende interne Kompetenz für die stetige Weiterentwicklung aufzubauen.

Falls Du neugierig geworden bist, liebe:r Leser:in, mach doch gerne mal eine erste Bestandsaufnahme anhand der sieben Tugenden mit deinem Team und schaue, wo ihr steht:

Credit: TheDive GmbH

Was würdest Du HR-Manager:innen raten, die eine nachhaltige Transformation in ihren Unternehmen durchführen möchten?

Kleine Anmerkung: Ich bevorzuge die Bezeichnung People & Culture im Vergleich zu Human Resources, da sie schon rein sprachlich die im Industriezeitalter vorherrschende Objektivierung von Menschen als mechanistische Ressource überwindet. Dabei liegt der Fokus auf dem Mensch als Subjekt, was für mich eine Säule menschenzentrierter Organisationen ist. Die verwendeten Begriffe sind in der sozial-ökologischen Transformation äußert wichtig und kulturprägend, da sie auch eine Haltung zum Ausdruck bringen.

Welche Schritte eine Personalabteilung zur Unterstützung der sozial-ökologischen Transformation gehen kann, hängt sehr von ihrer konkreten Ausgestaltung, ihrem formalen Einflussbereich innerhalb der Organisation und der Unternehmensgröße ab. Umso mehr sie über administrative Aufgaben hinausgehend auch bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens einbezogen wird, desto mehr vergrößert sich auch ihr mögliches Handlungsfeld. Eines ist aus meiner Sicht klar: People & Culture Abteilungen sollten ein gestaltender Akteur in der Transformation sein und dieses in ihr Selbstverständnis aufnehmen.

Credit: Jonas Friedrich

Drei Fokuspunkte als Orientierung:

  • Zunächst ist für jeden Menschen und so auch für die Mitarbeitenden einer Personalabteilung wichtig, eigene Grundannahmen und Handlungslogiken sichtbar zu machen und zu hinterfragen. Sind erstklassige Noten und lückenlose Lebensläufe für mich noch das Nonplusultra beim Recruiting? Traue ich Frauen schon unbewusst weniger in Führungspositionen zu als Männern? Heißt Diversität für mich nur, unterschiedliche fachliche Disziplinen zusammenzubringen oder auch kulturelle Perspektiven? Was verstehe ich eigentlich unter dem Begriff Arbeit, beinhaltet dieser auch (bezahlte) umfassende Regenerationsphasen? Ist das Gehalt auch für die nachkommende Generation noch der alles überlagernde Faktor bei der Wahl der Arbeitgeberin?  
  • Als weiterer Schritt ist förderlich, sich selbst weiterzubilden, um beispielsweise neue Formen der Zusammenarbeit, Chancen der Digitalisierung oder ökologische Transformationskonzepte theoretisch kennenzulernen, ihre Mehrwerte für den jeweiligen Unternehmenskontext einschätzen und dann entsprechende Unternehmensinitiativen unterstützen und forcieren zu können. In unserer The Loop Approach Fellow Ausbildung nehmen unter anderem aus diesem Grund auch zahlreiche Menschen aus Personal- und Organisationsentwicklungsabteilungen teil. 
  • Danach geht es um die strategische und operative Auseinandersetzung mit konkreten Transformationsthemen. Wichtig finde ich zum Beispiel, Mitarbeitenden und Teams, die von sich heraus Veränderungen und Initiativen anstoßen wollen zu ermutigen und zu unterstützen. Auch Mitarbeitende beim Aufbau von neuen Kompetenzen zu fördern und ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten zu steigern ist essentiell. Das Entwickeln differenzierter Arbeitsbedingungen und das Orchestrieren verschiedener Arbeitsweisen innerhalb eines Unternehmens wird ebenfalls zunehmend zu einer zentralen Aufgabe werden. Es könnten auch Projekte zur ko-kreativen Erarbeitung von (neuen) Unternehmenswerten und -leitbildern angestoßen oder inhaltliche Impulse für Handlungsmöglichkeiten gesetzt werden.

Soziale Transformation & Employer Branding

Um konkrete Beispiele zu nennen: Auf soziale Aspekte der Transformation geblickt, beschäftigt sich bei TheDive der People Bereich, in der Selbstorganisation auch “Kreis” genannt, beispielsweise mit der Weiterentwicklung unseres selbstbestimmten Vergütungsmodells. Aber auch mit Initiativen rund um mentale Gesundheit, Resilienz und Diversität, die vielfach auch von Mitarbeitenden selbst angestoßen werden.

Eine Auseinandersetzung mit und Positionierung zu sozialen Fragen wie Diversität, Gleichstellung und Inklusion wird für Unternehmen immer relevanter. Ebenso zu ökologischen Fragen rund um die Reduktion negativer Umweltauswirkungen des eigenen Geschäftsmodells und dem möglichen Beitrag zur Regeneration angegriffener Ökosysteme. Employer Branding ist ein Werkzeug auf strategischer Ebene, mit dem eine Personalabteilung die Haltung und Vision des Unternehmens in anfassbaren Botschaften darstellen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung für das Personalmarketing, um “Future Talents” ansprechen und für das eigene Unternehmen gewinnen zu können. Aus meiner Sicht ist dabei geboten, Ehrlichkeit und Transparenz nicht mehr zeitgemäßer Schönmalerei und Greenwashing vorzuziehen.  

Wir alle befinden uns auf einem Entwicklungspfad. Wir haben in einzelnen Bereichen längere in anderen kürzere Wege vor uns. Das ist okay und da müssen wir niemandem etwas vormachen, auch potenziellen Arbeitnehmer:innen nicht. Am Ende geht es darum, in jedem der Bereiche nächste Schritte zu gehen. Das setzt Transparenz und Authentizität in der Analyse, Darstellung und Umsetzung voraus. Der Weg ist das Ziel; und wir sollten wohlwollend im Blick behalten, dass wir als Individuen und Organisationen an unterschiedlichen Startpunkten beginnen. 

Lieber Felix, herzlichen Dank für Deine interessanten Antworten und Insights rund um den Loop Approach und TheDive!

Mehr zum Nachlesen

Credit: Jonas Friedrich

Der Loop Approach
Wie Du Deine Organisation von innen heraus transformierst

  • Sebastian Klein & Ben Hughes
  • Campus Verlag
  • Erschienen 2019 
  • 235 Seiten

Mehr zu unserem Blog

Credit: Daniel Faro - Unsplash

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