Wie Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen etabliert werden kann – Interview mit Nora Skorupa

Liebe Nora, was ist Dein Aufgabenbereich bei EXPERTS & TALENTS Center of HR Excellence?

Ich arbeite seit einem reichlichen Jahr in einem Team von ~10 Personen im EXPERTS & TALENTS Center of HR Excellence als Consultant und Coach, vorwiegend im Bereich Organisationsentwicklung. Davor habe ich 8 Jahre in einem Konzern Erfahrungen gesammelt, aus dem ich 2018 ausgetreten bin um nach meiner ganz persönlichen Sinnerfüllung zu suchen. Das hat mich noch einmal durch 6 Organisationen unterschiedlicher Größen und Branchen geschleust, von denen ich mich nach Probearbeit oder innerhalb der Probezeit verabschiedete, weil es sich nirgendwo so richtig anfühlte. Das war auch ein schmerzhafter Prozess. Ich habe zwischenzeitlich ein Jahr beruflich pausiert, war ehrenamtlich tätig und habe mich um mich gekümmert.

Als ich bereit war, mich neue Möglichkeiten erwartungsfrei zu öffnen, ging eine neue Tür auf. Da, wo ich heute arbeite, habe ich einen hohen Werte-”Match” zwischen mir und der Organisation festgestellt und ein Miteinander gespürt, das mich ankommen ließ. Ein wesentlicher Faktor war dabei, dass der Wert der Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell verankert war und wachsendes Interesse erfuhr. 

Wie seid Ihr intern das große Thema Nachhaltigkeit angegangen?

Wir haben uns letztes Jahr zunächst zu dritt interessenbasiert als Nachhaltigkeitsteam gefunden. Dabei haben wir uns wöchentlich getroffen, um das Thema für uns zu sortieren. Als Organisationsentwickler:innen haben wir uns unseres eigenen Vorgehens bei Kunden bedient, eine Vision erarbeitet und mithilfe der Methode OKR Themenbereiche, Ziele und Key Results erarbeitet. Auch konkrete Quick-Win’s, wie z.B. die CO2-Kompensation haben wir umgesetzt. Doch uns ist klar geworden, dass es nicht “nachhaltig” ist, als Triumvirat für das gesamte Team zu entscheiden, was wir für dieses Thema tun können und wollen. 

Workshop bei EXPERTS & TALENTS Center of HR Excellence

Innerhalb eines zweitägigen Team Workshops haben wir uns daher alle zusammen einen ganzen Tag damit beschäftigt, wie Nachhaltigkeit für uns aussieht und welche konkreten nächsten Schritte zu gehen sind. Wir haben uns hier selbst Unterstützung durch eine Freelancer-Kollegin geholt und mit Lego Serious Play gearbeitet. Das war eine sehr dankbare Erfahrung. Unsere Hände kreierten das, was unsere Köpfe nicht wussten. Dabei kam das Bedürfnis zum Vorschein, erst einmal zu wissen, wo wir denn aktuell stehen, also “Bilanz” zu ziehen. Da ich selbst seit 2019 im Verein der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) tätig bin, konnte ich hier eine konkrete Methodik anbieten, mit der wir dies umsetzen können. Da wir selbst größtenteils systemisch ausgebildet sind, entspricht der ganzheitliche Ansatz der GWÖ-Matrix unserer grundsätzlichen Herangehensweise an Problemstellungen. Für diesen Prozess arbeiten wir aktuell zu sechst an der Berichtserstellung 2021. Auch hier sind wir wieder ein Team, das sich aus Überzeugung und Interesse gefunden hat. 

Was würdest Du anderen Unternehmen raten, die einen Nachhaltigkeitsworkshop mit ihren Mitarbeitenden durchführen wollen? Wie können konkrete Vorbereitungsschritte aussehen, welche Durchführungsmethode empfiehlst Du und würdest Du diesen Workshop von externen Spezialist:innen begleiten lassen? 

Zunächst einmal ist es mir wichtig zu erwähnen, dass es keine Blaupause gibt. Jede Organisation hat eine eigene Kultur und nur weil Nachhaltigkeit gerade in Mode ist, ist es nicht wichtig für jedermann. Initial würde ich daher empfehlen, eine Gruppe Einzelner zu bilden auf freiwilliger Basis, für die dieses Thema eine Herzensangelegenheit ist. Hier ist genug Drive da, sich nicht unterkriegen zu lassen, denn je nach Reifegrad und dem aktuellen Nachhaltigkeits-Sinn der Organisation kann es kleinere und hartnäckigere Widerstände geben. Zudem ist Voraussetzung, dass dieses Thema ausreichend sicht- und spürbare Aufmerksamkeit derjenigen erfährt, die in der Organisation Führung repräsentieren. 

Um dann einen gemeinsamen Orientierungspunkt zu erschaffen, ist eine Vision sinnvoll, welche die Fragen beantwortet: “Wonach streben wir als Organisation im Kontext der Nachhaltigkeit? Was wollen wir erreichen?” 

Für den Zusammenhalt im Team kann es helfen, einen gemeinsamen Zweck oder auch Mission zu klären: “Wozu arbeiten wir zusammen?” Diese Antwort kann das Team als Rekalibrierung nutzen, wenn die Motivation absackt oder Frust aufgrund der “unbelehrbaren Kolleg:innen” entsteht. 

Xavi Cabrera via Unsplash

Die weitere Bearbeitung sollte sich in die Praktiken einfügen, die sich für die Organisation in der Zusammenarbeit bewährt haben. Ob das nun klassisches Projektmanagement im MS Planner ist oder agile Tools wie Kanban. Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist meist mit Veränderungen verbunden. Daher müssen aktuell wirksame Kulturmuster betrachtet werden, um mit sinnvollen, kleinen Interventionen Stück für Stück mehr Nachhaltigkeit in das bestehende System hineinzubringen. Regelmäßige Reflexionsschleifen helfen dabei, das Geschehene auf die Wirksamkeit hin zu hinterfragen, nächste Schritte anzupassen.

Diesen Prozess extern begleiten zu lassen, kann sinnvoll sein. Je nachdem, ob und wie intern Kompetenzen im Bereich Moderation, Prozessbegleitung, Projektmanagement und Teamentwicklung vorhanden sind und zur Verfügung stehen. 

Gehört es Deiner Meinung dazu, dass Unternehmen bei einer Entscheidung für die Nachhaltigkeit, ihre Unternehmensziele, -werte, Vision und Mission anpassen sollten? Wie seid Ihr vorgegangen? 

Für die Kommunikation nach innen und außen führt eine Einbettung in die bestehenden Managementinstrumente erfahrungsgemäß zu mehr Identifikation und Glaubwürdigkeit. Es ist aus meiner Perspektive in der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema zumindest wichtig zu prüfen, dass es keine Widersprüche gibt. Wenn ich bspw. eine Niedrigpreisstrategie innerhalb meines Marktes verfolge, dann ist es sehr schwierig gleichzeitig hohe soziale und ökologische Standards in der Zuliefererkette einzuhalten. Das ist jetzt ein sehr plakatives Beispiel. Im Kern geht es darum, dass die Initiative für mehr Nachhaltigkeit intrinsisch geprägt sein sollte. Wenn dies der Fall ist, will die Organisation das Thema auch strukturell verankern. Ist es hingegen nur ein Bestreben, einer CSR-Richtlinie zu entsprechen und/oder seine Produkte mit ein wenig BIO-Zutaten zu versetzen um hip zu sein, ist das Greenwashing. 

Dabei ist es entscheidend, Termini zu nutzen, die zu der Organisation passen. Wir nutzen bspw. den Begriff der “Zukunftsfähigkeit”, da uns Nachhaltigkeit oft zu kurz (bspw. nur bezogen auf ökologische Nachhaltigkeit) gedacht wird. Wir hatten jedoch keine Notwendigkeit, etwas zu verändern, es ging bei uns viel mehr um eine andere Wichtigkeit, Tiefe und Breite in der Bedeutung von Nachhaltigkeit.

Elena Koycheva via Unsplash

Wieso braucht es, basierend auf Deiner Arbeit, eine Green Recruiting Initiative?

Je mehr Initiativen das Thema Nachhaltigkeit als Kernbotschaft in unsere Wirtschaft tragen, desto besser. Auch für den Bereich Organisationsentwicklung ist die “Personalbeschaffung” immer wieder Thema, da neue und gehende Mitarbeitende immer eine Mini-Intervention darstellen, die das System irritieren. Die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Recruiting ist aus meiner Sicht eine machtvolle in der aktuellen Arbeitsmarktsituation. Selbst wenn ein Unternehmen von sich aus wenig für Nachhaltigkeit tut, können die potentiellen Bewerber:innen, die offensichtlich rar sind, mit ihrer Nachfrage etwas bewegen. Da Nachhaltigkeit eher für die jüngeren Generationen relevant ist, wird das Thema vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung per se zum Erfolgsfaktor für Organisationen.

Danke Nora für den Einblick in Deine Arbeit und die Tipps zur Etablierung von Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen! 💚

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Credit: Daniel Faro - Unsplash

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